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marcel
Marcel
Apr. 19
·
3 Min

Beispiel Gedichtinterpretation Erich Kästner – Besuch vom Lande

In diesem Beitrag findest du ein Beispiel für eine Gedichtinterpretation. Das Gedicht "Besuch vom Lande" ist von Erich kästner und wurde im Jahr 1930 veröffentlicht. Dieses Beispiel zeigt den grundsätzlichen Aufbau einer Gedichtinterpretation, sowie die Verknüpfung der einzelnen Textpassagen. Zum Thema "Erstellung einer Gedichtinterpretation" habe ich einen extra Beitrag geschrieben, den du hier findest.

*Hier findest du weitere Informationen für die richtige Erstellung einer Gedichtinterpretation

Gedichtinterpretation Erich Kästner – Besuch vom Lande

Das Gedicht „Besuch vom Lande“  des Dichters Erich Kästner aus dem Jahr 1930 beschäftigt sich mit der Kluft zwischen ruhigem, ereignislosen Landleben und dem aufregendem Stadtleben. Es zeigt die Hilflosigkeit der Menschen vom Lande gegenüber der modernen Welt, die in einer Großstadt wie Berlin aufzufinden ist.

Der Autor beschreibt ausführlich die Emotionen und Gefühle der hilflosen Menschen, die auf dem Potsdamer Platz stehen.

Das Gedicht beginnt mit einer Schilderung wie die Landbewohner am späten Abend („Die Nacht glüht auf in Kilowatts.“ [Z. 3]) am Potsdamer Platz  „verstört“ (Vgl. Z. 1) dastehen. Diese empfinden es dort viel zu laut (Vgl. Z. 2) und sind empört über eine Prostituierte die „entsetzlich viel Haut“ (Vgl. Z. 5) zeigt.

In der zweiten und dritten Strophe führt das lyrische Ich die Schilderungen der Emotionen durch entsprechende Adjektive fort. Der Sprecher beschreibt wie die Besucher vor Staunen weder ein noch aus (Vgl. Z. 6) wissen und verwundert die „rasselnden Bahnen“ (Vgl. Z. 8), „schreienden Autos“ (Vgl. Z. 8), „funkelnden Häuser“ (Vgl. Z. 13) und „dröhnenden U-Bahnen“ (Vgl. Z. 13) auf sich einwirken lassen. Dies sind die Landbewohner nicht gewöhnt (Vgl. Z. 13), weshalb Sie Berlin als „zu groß“ (Vgl. Z. 10) und „zu wild“ (Vgl. Z. 15) empfinden und am liebsten nach Hause möchten (Vgl. Z. 9).

In der letzten Strophe beschreibt das lyrische Ich die Angst der Menschen (Vgl. Z. 16). Diese machen laut dem Sprecher in der für die Landbewohner modernen Welt am Potsdamer Platz „alles verkehrt“ (Vgl. Z. 17.) und stehen nur „dumm“ (Vgl.  Z. 18) auf dem Potsdamer Platz herum, bis sie überfahren werden (Vgl. Z. 20).

Das Gedicht besteht aus vier Strophen mit jeweils fünf Versen, wobei sich der erste, dritte und vierte sowie der zweite und fünfte Vers reimen (ABAAB Reimschema). Das lyrische Ich beobachtet und beschreibt die Protagonisten aus der Perspektive eines Sprechers.

Das Gedicht spielt sich am Potsdamer Platz ab, welcher damals wie heute einer der Hauptverkehrsknotenpunkte in Berlin ist, an denen sich viele Touristen und Einwohner aufhalten.

In der ersten Strophe wird ein direktes Zitat mit eingebunden („Komm mit, mein Schatz!“ [Z. 4]), welches die Authentizität unterstützen soll. Prostituierte sind für Großstädte ganz normal, jedoch nicht für die „prüden“ Landbewohner, weshalb Erich Kästner dies mit einer ironisch gemeinten Hyperbel im letzten Vers der 1. Strophe zum Ausdruck bringt („Und zeigt entsetzlich viel Haut.“ [Z. 5]).

Des Weiteren gehört für eine Großstadt wie Berlin das Nachtleben dazu, denn eine Großstadt schläft nie. Jedoch für einen Landbewohner mag dies etwas Aufregendes, Fremdes darstellen, was der Autor im Vers 3 mit dem Wort „Kilowatts“ vermitteln will. Kilo bedeutet eintausend, wobei hier die Rede von mehreren tausend Watts ist, die die Nacht erhellen.

In der zweiten und dritten Strophe, jeweils im dritten Vers verwendet der Autor Anaphern um eine verstärkende Wirkung beim Leser zu erzielen. „Die Bahnen rasseln. Die Autos schrein.“ (Z. 8), sowie „Die Häuser funkeln. Die U-Bahn dröhnt“ (Z. 13). Außerdem verwendet der Autor in der 2. Strophe eine Antithese, denn er erzählt, wie die Besucher vom Lande „weder ein – noch aus“ (Vgl. Z. 6) wissen. Dadurch wird der Kontrast zwischen den Stadt- und Landbewohnern nochmals verdeutlicht.

In der dritten Strophe wird die Großstadt vom Autor personifiziert um die Lebendigkeit der Stadt zum Ausdruck zu bringen „Es klingt als ob die Großstadt stöhnt“ (Z. 11).

Auffällig ist außerdem, dass in der 1. bis 3. Strophe jeweils am Ende und in der 4. Strophe im vorletzten Vers Ellipsen vom Autor verwendet werden. Diese sehr verkürzten, unvollständigen Nebensätze können beim Leser einen schnellen Eindruck  hinterlassen, welcher die Schnelllebigkeit einer Großstadt wiederspiegeln soll.

Zum Schluss wird vom Autor noch eine Metapher miteingebunden, denn der Autor schreibt als letzten Vers „[…] bis man sie überfährt.“ (Z. 20). Dabei kann das überfahren zweierlei gedeutet werden. Zum einen können Sie von den vielen Autos überfahren werden, da sie dieses Verkehrsaufkommen nicht gewöhnt sind, zum anderen aber auch von den vielen Menschen die sie umgeben, für die das schnelllebige Großstadtleben normal ist.

Das Gedicht wurde zur Zeit des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit geschrieben. Typisch für den Expressionismus war die Industrialisierung und Urbanisierung. Die Großstadt wurde oft als bedrohlich zerstörerische Kraft gesehen. Dies wird sehr deutlich von Kästner beschrieben, z.B.  in Strophe 3 Vers 5 „Und finden Berlin zu wild.“ (Z. 15) oder in Strophe 4 Vers 5 „bis man sie überfährt.“ (Z. 20). Ein weiteres Merkmal des Expressionismus ist die Darstellung von Tabuthemen. Darunter fallen u.a. auch die Prostituierten, welche Kästner gleich zu Beginn in der ersten Strophe im Vers 4 beschreibt. Obwohl das Gedicht von 1930 ist, ist die Aktualität immer noch gegeben. Die Großstadt ist weiterhin für viele Landbewohner eine Herausforderung und teilweise eine Reise in eine andere Welt.

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